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2012

Nepal – Paddeln im Schatten der Himalayariesen

Mit einem festen Vorsatz sitze ich 2004 in der Abflughalle des Flughafens in Kathmandu – Nepal. In den letzten zweieinhalb Monaten habe ich mehr erlebt als ich mir je vorstellen konnte.

Den höchsten Bergen der Welt bin ich schon sehr nahe gewesen und auf einem der schönsten, nämlich der 6856m hohen Ama Dablam, bin ich, obwohl es anfangs nicht geplant war, nach einer Akklimatisationstour auf einen anderen 6000er, sogar am Gipfel gestanden. Auf der anderen Seite bin ich einfach mit Herz und Seele Paddler und als uns unsere Wege damals an gewaltigen Flüssen mit sehr klingenden Namen wie z.B.: Dudh Kosi oder Sun Kosi, vorbei führten war für mich klar, dass ich in dieses tolle Land zurückkehren werde. Dann aber mit meinem Kajak. Das war im Jahr 2004.

Es sollte acht lange Jahre dauern bis ich im Jahr 2012 endlich die Möglichkeit fand meinen Vorsatz von damals in die Tat umzusetzen.

Tief standen die Regenwolken über Kathmandu und böiger Wind schüttelte das vollbesetzte Flugzeug heftig durch. Ein Blick in die Gesichter meiner Sitznachbarn zeigte mir, dass sie froh waren als die Maschine am Rollfeld sicher ausrollte. Mir jedoch zauberte folgender Gedanke ein Lächeln ins Gesicht. Ich hatte knapp drei Monate Zeit die Flüsse Nepals, gemeinsam mit Freunden, zu erkunden.

Dass die Uhren hier anders ticken wurde mir am Immigrationcounter schnell wieder bewusst. Eine Gruppe nörgelnder Deutscher wurde von den Beamten am Schalter einfach links liegen gelassen und daher kam ich recht flott zu meinem Visum und konnte mein Kajak bald darauf in Empfang nehmen. Ein letzter prüfender Blick eines Officers, ob die Nummer meines Bagagetags auch mit der am Kajak übereinstimmte und schon war ich umringt von Taxifahrern,  die mir alle den „billigsten“ Tarif nach Thamel anboten. Glücklicherweise wurde ich von Georg, der bereits fünf Tage vor mir angereist war, abgeholt und konnte mich so der gröbsten Abzocke entziehen. Der Taxler staunte nicht schlecht als Georg nicht Thamel, das Touristenmekka, als Ziel nannte, sondern Bouddha angab. Als Georg ihn dann dort zu keinem Hotel lotste sondern ihn bat, er möge uns einfach an einer Straßenecke aussteigen lassen, verschlug es dem sonst sehr gesprächigen Fahrer die Sprache. Auch ich war nicht sicher, ob Georg genau wusste wo wir waren, da er seit der Abfahrt vom Flughafen einen eher fragenden Gesichtsausdruck hatte. Aber zielsicher führte er mich durch ein Wirrwarr von engen Gässchen, deren Sandbelag vom anhaltenden Regen der letzten Tage komplett aufgeweicht war, bis wir an einem großen, grünen Tor anstanden. Selbstsicher stieß Georg es auf und schon befanden wir uns in einem Garten mit feinstem Rasen und toll gepflegten Hecken. In den Beeten waren die ersten Blümchen zu erkennen. Die große Wohnung im dritten Stock gehört entfernten Verwandten und wir durften diesen Ort der Ruhe im sonst extrem hektischen Kathmandu als Basecamp nutzen. Die Halbnepalifamilie von Gwen und Ishwor mit deren drei Kindern Tara, Maja und Aduaja nahm uns sehr freundlich auf.

Autsch!!! – ich hatte mir die Finger verbrannt. Wie in Nepal üblich aßen auch wir mit den Fingern und natürlich hatte ich in meiner Gier vergessen, dass frisch gekochtes Essen meistens sehr heiß ist. Tara und Maja goutierten es mit einem Lachen und mich sollte eine Brandblase am Daumen noch einige Zeit daran erinnern.

Die nächsten Tage verbrachten Georg und ich mit Stadtbesichtigungen, oft waren die zwei Töchter unsere Reiseführer, und mit den Vorbereitungen für unseren ersten Bach. Langsam konnten wir das Ende des Monsuns merken und so starteten wir eines wunderschönen Tages in Richtung Osten zum bekannten Sun Kosi.

Unsere vollbeladenen Kajaks wogen sicher 37 kg, da wir Essen für eine Woche mithatten, als wie sie mittags, in der prallen Sonne, über die Brücke in Dolalghat, unserem Einstieg, schleppten. Es war schon ein besonders Gefühl nach acht langen Jahren endlich wieder zurück in Nepal zu sein und die ersten Paddelschläge fühlten sich einfach toll an. Vorbei ging es an wunderschönen kleinen Ortschaften, durch tolle Schluchten und auch der eine oder andere tolle Rapid war dabei. Einer erwischte mich mit offenem Rückengurt, nicht angezogener Fußstütze und zwang mich so zu meiner ersten Rolle in Nepal. Um fünf begannen wir nach einem Schlafplatz für die Nacht Ausschau zu halten und bald fanden wir eine schöne Sandbank am linken Ufer. Schnell setzte bei mir wieder die auf Madagaskar erlangte Routine ein, so dass der Lageraufbau schnell ging und bald darauf  gutes Essen im Topf am Lagerfeuer köchelte. Wir konnten unseren Augen nicht trauen als wir beim Kartenstudium erkannten, dass wir in vier Stunden knappe 50km geschafft hatten. Ein kurzer aber heftiger Regenschauer erzeugte mitten in der Nacht Hektik, da wir einfach zu faul gewesen waren unser Tarp aufzuspannen.

Der nächste Tag brachte dann die schwierigsten Stellen des Sun Kosis. Herausragend war Hakapur. Dieser Rapid zeigte mir, dass auch ein schwer beladener Creeker fliegen kann. Nach zwei weiteren Nächten am Fluss, dieser war in der Zwischenzeit auf geschätzte 3000 m3 angewachsen,  kamen wir zu der Mündung von Arun und kurz darauf des Tamurs. Beide brachten wieder einige hundert m3. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Ausstieg. Eine letzte Rechtskurve, ein paar große Brecher und plötzlich war auch der letzte Hügel gewichen da befanden wir uns plötzlich auf einer unübersichtlichen Wasserfläche am Beginn des Terais. Am Ausstieg in Chatra war die Hektik des Alltags nach den Tagen am Fluss vor allem für mich ein ziemlicher Schock. Für die 400km lange Busfahrt zurück nach Kathmandu brauchten wir 19 Std und sehr gute Nerven. Wir blieben nicht lang und brachen bald zu weiteren Abenteuern auf.

Am Weg zum Bothe Kosi paddelten wir den Balephi Kola. Die mehrstündige Fahrt am Busdach zum Einstieg war bereits ein  Abenteuer, die wunderschöne Landschaft und das herrliche Wildwasser haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Den Bothe Kosi, ein nepalesisches Wildwasserjuwel, wollten wir, wenn möglich, vom „Boarderlands Resort“ aus paddeln. Am ersten Abend in diesem wunderschön, nahe der tibetanischen Grenze gelegenen Camp, betranken wir uns mit den Locals fürchterlich, so dass an Paddeln am nächsten Morgen nicht zu denken war. Stattdessen spazierten wir gemütlich den Fluss stromauf, genossen den Blick auf die Berge und staunten über die gewaltigen Schluchten. Tags darauf fühlten wir uns aber wieder fit und booteten, genau beobachtet von zahlreichen Schaulustigen, als erstes Team in dieser Saison am oberen Bothe Kosi ein. Unser Mut wurde mit tollem, sehr wuchtigem Wildwasser belohnt. Geplant war in den Sun Kosi zu paddeln und kurz unterhalb von Dolalghat den Bus zurück nach Kathmandu zu nehmen. Leider schlug ich mir im letzten schwierigen Rapid „Face against the Wall“ den Ellbogen auf,  so dass wir die Fahrt abbrechen mussten, um mein Cut in der nächsten Klinik nähen zu lassen. Eine Schar von Schulkindern half mir mein Boot die 2km nach Barhabise zu tragen. Die wenigen Tage bevor wir Alex vom Flughafen abholen wollten,  erholten wir uns von den Strapazen bei Gwen und Ishwor. Wir labten uns bei königlichem Dahl Baht und genossen den Komfort von richtigen Matratzen. Mein Ellbogen heilte gut, somit konnten wir bereits kurz nach Alex’ Ankunft zu weiteren Abenteuern starten.

Zu dritt paddelten wir erneut den Balephi Kohla mit einer weiteren sehr spannenden Busfahrt und danach die über 350km lange Strecke vom Borderlands am Bothe Kosi nach Chatra am Sun Kosi. Der Wasserstand war bereits deutlich niedriger, dennoch kamen wir so flott voran, dass wir bereits die dritte Nacht direkt an der Mündung des berühmten Dudh Kosis campieren konnten. Dudh Kosi bedeutet milchiger Fluss und er machte mit seinen trüben Wassermassen seinem Namen alle Ehre. 1976 campierte bereits Mike Jones im Rahmen seiner Expedition „Sturzfahrt vom Everest“ genau an diesem Ort. Dieses Camp, mit seiner perfekten Mischung aus Sand, Schotter, großen Felsen und einer Menge gutem Feuerholz, umgeben von dicht bewachsenen, hohen Bergrücken wird mir immer in Erinnerung bleiben. Den Ausstieg erreichten wir zu Mittag des fünften Tages nach einer weiteren Übernachtung auf einer riesigen Sandbank. Schneller als es mir lieb war hatte uns die Hektik wieder. Vor allem ich hatte immer wieder Probleme mich von der Ruhe am Fluss und der Möglichkeit selbst zu bestimmen auf das schnelllebige Stadtleben umzustellen.

Im „Hungry Eye“ füllten wir unsere Speicher wieder auf und das Personal staunte nicht schlecht als jeder von uns mehr als zwei Bier trank. Da die Unterkünfte eher Hühnerställen glichen, machten wir uns zwei Tage später auf den Weg nach Basantapur, dem Ausgangspunkt für den Trek zum Tamur,  unserem nächsten Bach. Der Platz am Busdach wurde uns allerdings auf Grund der Höhe bald zu kühl und so standen wir wieder gebückt ,   Schulter an Schulter, in Mitten von Hühnern, 50kg Reispackungen und erbrechenden Kindern im Bus. Nach mehreren Stunden erreichten wir am frühen Abend,  bei einsetzendem Regen, die Yak-Lodge.

Zeitig marschierten wir am nächsten Morgen los. Alex und mein Kajak schulterten zwei Träger, da Georg beschlossen hatte am Tamur nur zu trekken. Die nächsten Tage brachten uns auf knapp 3000m mit tollen Ausblicken auf Makalu, Kanchenjunga und Everest. Die Lodges wurden spartanischer aber eine Tumba, ein tibetisches alkoholisches Getränk, zum Rehydrieren bekamen wir immer. In der Früh weckte uns der beißende Qualm des offenen Feuers der durch die Ritzen in unser Zimmer drang. Das jeweilige Tagesziel besprachen wir in der Früh mit den Trägern, so konnte jeder individuell sein Tempo und seine Pausen wählen. Daher waren wir zu Beginn auch nicht besorgt als zwei Stunden nach unserer Ankunft in Gorja von unseren Trägern noch immer nichts in Sicht war. Erst als es dunkel wurde und einsetzender Regen den Pfad extrem rutschig machte, begannen wir uns Gedanken zu machen. Uns war bewusst, dass unsere Träger keine Stirnlampen bei sich hatten, so beschlossen Alex und ich ihnen entgegen zu gehen. Als wir nach einer Stunde noch immer keine Spur von ihnen gefunden hatten, drehten wir durchnässt um und mussten die folgende Nacht, auf noch immer knapp 2600m, ohne Pullover und Schlafsack verbringen. Die zur Verfügung stehenden Decken waren so räudig,   dass Georg uns den Tipp gab, das Licht eingeschaltet zu lassen, da dies Flöhe und andere ungebetene Gäste fern halten sollte. Ich träumte von übergroßen Wanzen, die unsere Kajaks in die falsche Richtung schleppten, aber allen Träumen zum Trotz, standen am frühen nächsten Morgen zwei ziemlich durchgefrorene Träger mit unseren Booten vor der Tür. Wir konnten nicht ausfindig machen, wo sie die letzte Nacht verbracht hatten. Nach einem warmen Tee waren sie aber schon wieder unterwegs Richtung Dobhan, dem 1600m niedriger gelegenen Einstieg des Tamurs. Georg machte sich von hier aus auf den Rückweg und wir verabredeten uns spätestens in Kathmandu wieder zu treffen. Als wären unsere Kajaks nicht bereits schwer genug, kauften wir noch schnell zwei Dosen Bier um kurz darauf, nach einem ausgiebigen Dahl Baht, unsere Boote für das Abenteuer am Tamur zu beladen.

Dieses wäre aber fast vorbei gewesen bevor es richtig begonnen hatte. Während der Besichtigung des ersten Rapids machte sich Alex’ Boot selbstständig. Die nahende Katastrophe konnte er nur mit einer schnellen Reaktion und einem mutigen Sprung abwenden. Die nächsten Kilometer brachten tolles, wuchtiges Wildwasser, das aber, bis auf wenige Ausnahmen, mit langem Hals und etwas Gespür für die richtige Linie gut fahrbar war. Vergeblich hielten wir nach einem riesigen Stein Ausschau, der den Fluss, laut Führer, teilt, da der linke Arm in einem bösen Loch enden sollte. Nach einer etwas ruhigeren Passage tauchte plötzlich wieder eine Abrisskante vor uns auf. Rechtsufrig sprangen wir an Land und scouteten die folgenden Meter. Als wir zu unseren Kajaks zurück kamen konnten wir unseren Augen nicht trauen. Ein Nepali saß frech in Alex’ Boot und schaufelte mit dem Paddel im Schotter herum. Wir fuhren ihn scharf an und forderten ihn auf auszusteigen, was er auch widerwillig tat. Er zeigt sich uneinsichtig und aggressiv, war aber eindeutig alkoholisiert, so dass wir lieber schnell den folgenden Rapid paddelten. Auf einer schönen Wiese bauten wir routiniert unser Camp auf. Ein vorbeikommender Local versprach uns am nächsten Morgen Gemüse zu bringen. Bis tief in die Nacht schürten wir das Feuer, genossen den wunderbaren Sternenhimmel und wurden nicht müde zu erwähnen, wie ausgezeichnet die Idee war Bier mitzunehmen.

Dass wir uns auf Nepali verlassen können wurde uns am nächsten Morgen wieder bewusst,  denn wir wurden wirklich mit Gemüse, unter anderem einem Kürbis, versorgt. Alleine beim Anblick lief uns das Wasser im Mund zusammen. Der  Tag brachte viel Gegenwind, kleine Rapids und viel mehr Flachwasser. Mit verspannter Muskulatur kochten wir unseren Kürbis und krochen zeitig in unsere Moskitozelte.

Der nächste Tag entschädigte aber voll. Nach einem schönem Tempel am Flussufer folgte über 25km Rapid auf Rapid. Als kurz vor der Mündung in den Sun Kosi noch eine sehr eindrucksvolle Mündungsschlucht auf uns wartete wussten wir, dass der Tamur sicher ein Highlight war.

Ein drittes und letztes Mal musste ich die aufdringliche Meute in Chatra über mich ergehen lassen. Um uns die nervenaufreibende und auch sicher nicht ganz ungefährliche Busfahrt zu ersparen, wollten wir nach Kathmandu fliegen. Leider zeigten sich die Fluglinien als nicht sehr kooperativ. Alex war aber eine coole Haut, kaufte sich einen Vorrat an Rum, gab sich mit unseren Kajaks 21 Stunden Hölle und schickte mich mit dem Flieger. Danke sehr!

Es war Mitte Oktober, also Wies’nzeit, als wir wieder durch die netten Gässchen Boudhas spazierten. Daher nahmen wir gerne eine Einladung ins Radisson Hotel an, um dort mit Personal der Deutschen Botschaft, am Dach ein kleines Oktoberfest zu feiern. Bei „free flowing beer“ und einem „all you can eat“ Buffet hatten wir einen feuchtfröhlichen Abend.

Der Osten Nepals würde noch viele interessante Flüsse bieten, doch wollten wir auch genügend Zeit für Pokhara und den Westen, unsere nächsten Ziele, haben.

Wir waren froh ein günstiges Guesthouse in Pokhara gefunden zu haben, denn das Preisniveau ist in der Touristenhochburg deutlich höher als im Rest Nepals. Die Stadt liegt wunderschön an der Nordostseite des Fewa-Lake am Fuße der Annapurna Kette. Von hier aus paddelten wir  unter anderem den Seti, machten wieder von Trägern Gebrauch um gemeinsam mit ein paar Amis zum  Modhi Khola zu kommen und ich schloss mich als Fotoboater einer Raftcomapny am Kali Gandaki an.

Mit einem Jeep fuhren wir zusammen mit Darryn, einem Kiwi, zum Madhi Khola, paddelten dessen interessanten Abschnitt bis zu einer Kajaker – Lodge, in der mich die Moskitos in der Nacht zum Wahnsinn trieben, um im Morgengrauen den einzigen Bus ins Nachbartal, zum Marsyandi, zu nehmen. Auf den letzten Kilometern nach Ngadi wollte uns partout niemand günstig  mitnehmen, so dass wir auf einen teuren Ride auf einer Ladefläche angewiesen waren. Die Fahrt im Freien eröffnete uns aber so lange es noch hell war, tolle Blicke auf die Berge und auch den einen oder anderen Rapid konnten wir erkennen.

Als wir am nächsten Morgen aus den Federn krochen und nach einem ausgiebigen Frühstück in die Paddelsachen stiegen, war es empfindlich kalt und wir drei sehnten die wärmenden Sonnenstrahlen herbei. Es dauerte aber nicht lang bis uns der Marsyandi richtig einheizte. Vor allem in den ersten Rapids hätten wir Schweißperlen, aber nicht von der Sonne, im Gesicht gehabt,  wären nicht immer wieder die Brecher über uns zusammen gebrochen . Am  Stausee aßen wir zu Mittag,   umfuhren die Mauer auf einem Hühnerlaster und paddelten bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Im letzten Licht fanden wir eine Bleibe und paddelten den leichteren Teil bis zum Highway am nächsten Tag.

Darryn und ich fuhren zurück nach Pokhara, während Alex nach Kathmandu fuhr um Sophie vom Flughafen  abzuholen. Wenn möglich, wollte ich unbedingt den Humla Karnali paddeln. Dazu hinterließ ich bei Raftcompanys und im Ganesh Kajakshop meine Kontaktdaten – leider ohne Erfolg. Jedoch traf ich zwei Chilenen – Daniel und Tom, und einen Engländer -Jamie mit denen ich mich bald aufmachte den Karnali zu paddeln.

Der Karnali, einer der größten Flüsse Nepals, liegt sehr abgelegen ganz im Westen Nepals. Das bedeutete 22 Stunden Busfahrt nach Surkhet. Dort kamen wir gerädert, am frühen Nachmittag an und konnten es einfach nicht glauben als wir erfuhren,  dass es am selben Tag keine Transportmöglichkeit mehr nach Samauli, unserem Einstieg geben sollte. Nach einigem Nachfragen fanden wir dann doch noch einen Nepali, der sich bereit erklärte uns mit seinem Jeep  zu führen. Mit einem doch etwas wehmütigen Auge stand ich am Einstieg und blickte stromauf Richtung Humla. Das Ziel für die nächste Nepalreise war bereits auserkoren.

Schnell glitten wir über ruhiges Wasser in Richtung erster Schlucht. Die Kajaks waren so voll, dass meine Kamerabox einfach nur mehr zwischen meinen Beinen Platz hatte, so hatte ich dann doch etwas Stress als mich, trotz aller Vorsicht, eine größere Walze aufmischte. Das Loch war jedoch gnädig und entließ mich schnaufend. Der zweite Tag brachte uns zu weiteren, tiefen Schluchten und tollen Rapids.

Dass ein Multiday nicht der geeignete Platz ist um heldenhaft zu sein, lernte Daniel am dritten Tag. Unbedingt wollte er in einem Rapid die Heroline fahren, schaffte jedoch die Querung nicht ganz und schon fand er sich zum Entsetzen aller, in einer riesigen Waschmaschine wieder. Wir mussten zuschauen wie es unseren Freund kräftig durchmischte und wir keine Chance hatten ihm zur Hilfe zu kommen. Nicht auszudenken, wenn es ihm nicht gelungen wäre sich zu befreien, dann wäre im Fall eines Schwimmers wahrscheinlich viel wichtiges Equipment verloren gewesen. Der Rest der Gruppe setzte deutlich höher zur Seilfähre an und konnte so recht einfach die Einfahrtswalze umfahren.

Entweder verjagten unsere großen Lagerfeuer die Pumas oder wir hatten einfach nur Glück keinem zu begegnen.  Als nach vier Nächten die Felsen enger rückten und sehr komische Formen annahmen wussten wir, der Ausstieg war nicht mehr weit. Am späten Vormittag erreichten wir den Ausstieg und schneller als mir lieb war,  hatte uns die Hektik wieder. Es galt auf die Kajaks aufzupassen und einen Transport nach Pokhara zu organisieren. Jeder hatte natürlich wieder das beste Angebot.

Argumente eines Anbieters wie um Stunden schneller als der Bus zu sein, genügend Beinfreiheit zu haben, ein guter Dachträger und Unabhängigkeit, bewogen uns dann doch einen Jeep zu mieten. Als sich jedoch in Pokhara herausstellte, dass wir langsamer als der Bus waren, wir weniger Platz für unsere Beine hatten und zu allem Überdruss auch noch einen eingerissenen Spanngurt und einen  kaputten Wurfsack, die wir zum Befestigen der Boote am ach so tollen Dachträger benötigten, zu beklagen hatten, entbrannte beim Neuverhandeln des Fahrpreises eine hitzige Diskussion. Als sich die Touristenpolizei einschaltete, hofften wir auf Hilfe. Aber anstatt zu vermitteln forderte uns der Polizist nur auf zu bezahlen, verlangte unsere Pässe und drohte uns in Gewahrsam zu nehmen, wenn wir seiner Aufforderung nicht umgehend nachkommen würden. Als Daniel und Tom erklärten sie habe ihre Pässe nicht dabei, da sie die Ausweise in einem Reisebüro für das Indienvisa zurück gelassen hatten, drohte die Situation zu eskalieren. Mit hochrotem Kopf gab uns der Polizist fünf Minuten Zeit die Pässe aufzutreiben. Keine leichte Aufgabe in einem noch schlafendem Pokhara – es war erst 5.30 in der Früh. Jamie gelang es dann aber mit viel Fingerspitzengefühl zu vermitteln und die Lage zu beruhigen. Um kurz nach sieben saßen wir endlich beim Frühstück im „Smiling Buddha“.

Am Abend traf ich Alex und Sophie wieder, die in er Zwischenzeit Trisuli, Madhi Kolha und Marsyandi gepaddelten waren. Bei einem „Speziallassi“ am Abend tauschten  wir Geschichten aus und schmiedeten Pläne für die paar übrig gebliebenen Tage. Wir wollten den Kali Gandaki ein weiteres Mal paddeln und am Weg zurück nach Kathmandu den Buri Gandaki als Abschluss machen. Gesagt getan.

Nach drei Tagen am Kali fuhren wir zum Buri. Als der „4-WD Tata – Bus“ mit durchdrehenden Rädern im Schotter steckte war für mich klar,  dass die Straße zum Belephi Kolha eigentlich ein Kinderspiel war. In einer Ortschaft kurz nach Arketh Bajar verbrachten wir die Nacht um zeitig am nächsten Morgen Richtung Tatopani aufzubrechen. Es waren uns drei Träger versprochen worden, aber als am nächsten Morgen nur zwei erschienen blieb Alex und mir nichts anderes übrig als Sophies Boot selbst zu schultern. Das erste Stück legten wir noch recht gemütlich auf einem Traktor zurück, der jedoch auch recht bald nicht mehr weiter konnte. Glücklicher Weise fand ich auf halben Weg dann doch noch einen Nepali, der gerne unser drittes Boot trug. Es eröffneten sich tolle Blicke auf die Himalayariesen und auch die eine oder andere große Portage konnten wir ausmachen. Am frühen Abend trafen wir in Tatopani ein und staunten nicht schlecht als wir zwei U.S. – Paddler,  Richard und Mat, trafen. So starteten wir zu fünft zeitig am nächsten Morgen. In die enge Schlucht kam das wärmende Sonnenlicht leider erst spät, so paddelten wir die ersten schweren, steilen Rapids mit steifen Gliedern. Einen großen Erdrutsch mussten wir mühsam umtragen. Dazu buckelten wir die Kajaks 150Hm zurück auf den Weg nur um sie 400m weiter, wieder 200Hm zurück zum Fluss zu schleppen. Damit nicht genug, wartete eine weitere harte Portage etwas weiter stromab auf uns. Eine Erfahrung reicher – nepalische Brennessel brennen deutlich länger und stärker als heimische. Die Buckelei dauerte lang und so kamen wir erst in der Abenddämmerung bei der dritten unfahrbaren Stelle an. Nach einer deutlich leichteren Action mussten wir die letzten Rapids im schwachen Mondlicht paddeln. Müde und ausgekühlt kletterten wir die Böschung zu einer Ortschaft hinauf.

Am nächsten Morgen stiegen die Amis bei der ersten Möglichkeit ein Taxi zu erwischen aus um zurück nach Pokhara zu fahren während wir bis zur Mündung in den Trisuli weiter fuhren. Am frühen Nachmittag erreichten wir den Ausstieg. Beim Trisuliraftcamp verkaufte ich meinen leicht undicht gewordenen Pure,  der mir die letzten Monate, auf Madagaskar und Nepal, treue Dienste erwiesen hatte. Zwei Tage später saßen wir in der Abflughalle und ich hatte wieder einen festen Vorsatz. Ich komme zurück und paddle Humla Karnali, Seti Kohla und Thule Berhi.

Jetzt galt es aber mich auf das nächste Projekt zu konzentrieren. In drei Tagen sollte ich bereits wieder in Afrika, am Zambezi sein.

Herzlichen Dank an „Ophion Paddles“, die mich auch auf dieser Reise mit tollem Material unterstützt haben.